Paneuropa - von der Vision zur Existenzfrage
Die 51. Paneuropa-Tage hat die Paneuropa-Union Deutschland in Partnerschaft mit der Karlspreis-Stiftung vom 16. bis 18. Mai 2025 in Aachen veranstaltet – anlässlich des 75. Jubiläums der höchsten europäischen Auszeichnung, die am 18. Mai 1950 erstmals dem Gründer der Paneuropa-Union, Richard Coudenhove-Kalergi, verliehen wurde. Gäste aus 21 Ländern nahmen daran teil.
Die Weiterentwicklung der EU in Vereinigte Staaten von Europa mit gemeinschaftlicher Außen- und Verteidigungspolitik zog sich wie ein roter Faden durch die Reden. Schwerpunktthemen waren die sich dramatisch verändernde weltpolitische Lage und das Gedenken an den Gründer Richard Graf Coudenhove-Kalergi.
Bei der festlichen Eröffnung hat PEU-Bundesgeschäftsführer Johannes Kijas Teilnehmer und Gäste willkommen geheißen.
Der Landesvorsitzende der Paneuropa-Union Nordrhein-Westfalen, Karl Alexander Mandl, dankte Armin Laschet für sein Engagement für die deutsch-französischen Beziehungen und vermerkte hoffnungsvoll die Besuche des neuen Bundeskanzlers Merz in Paris und Warschau.
Beifallsstürme löste ein in hervorragendem Deutsch gehaltenes Grußwort des stellvertretenden Vorsitzenden der Paneuropa-Jugend Frankreich Ulysse Gounelle aus.
Der internationale Präsident Pavo Barišić betonte, daß „keine politische Bewegung des 20. Jahrhunderts an die moralische Stärke und die dauerhafte Anziehungskraft der Paneuropa-Idee heranreicht.“ Nationalismus, Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus seien „zerstörerische Gewalten“. Sie alle seien gescheitert, doch drohe „ein gefährlicher Rückfall“. Putin verkörpere „die Wiederkehr eines großrussischen Imperialismus, bemäntelt mit der Behauptung, sich gegen einen ‚dekadenten Westen’ zu verteidigen.“ Paneuropa stehe „für das genaue Gegenteil: Nicht für Unterwerfung, sondern für Freiwilligkeit; nicht für Herrschaft, sondern für Partnerschaft; nicht für Gewalt, sondern für gegenseitigen Respekt.“ Außenpolitisch gerieten jahrzehntelange Gewißheiten „ins Wanken, und eine unbequeme Wahrheit drängt sich auf: Der nukleare Schutzschild der USA ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Europa muß lernen, für sich selbst einzustehen – auch in Fragen der Sicherheit.“ Mit Blick auf die anstehenden EU-Erweiterungen meinte Barišić, diese seien „kein Gnadenakt, sondern strategisch geboten, politisch notwendig und moralisch gerecht.“
Der designierte Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Armin Laschet, forderte die rasche Errichtung einer Europäischen Verteidigungs-Union. Die angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage dringend notwendige Schaffung einer europäischen Säule der NATO könne zwar durch Partnerschaften mit Staaten wie Großbritannien über die EU-Strukturen hinausgehen; Laschet warnte aber davor, das Europa der Institutionen dabei zu umgehen. Dieses müsse gestärkt werden, vor allem durch Beseitigung des Einstimmigkeitsprinzips im Ministerrat. Die bevorstehende Verleihung des Aachener Internationalen Karlspreises an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte er ein „politisches Zeichen“ zugunsten der Europäischen Institutionen.
Die Reliquienbüste aus dem Aachener Domschatz präsidierte auf dem Bildschirm über den Vortrag „Zu Gast bei Karl dem Großen“ von Prof. Max Kerner vom Historischen Institut der RWTH Aachen.
Der Präsident der Paneuropa-Union Deutschland und langjährige Münchner Europaabgeordnete Bernd Posselt bezeichnete die derzeitige, aus einigen Nationalstaaten bestehende „Koalition der Willigen“ als „notwendigen Irrweg“. Zum einen sei diese lose Form der Staaten-Zusammenarbeit unvermeidlich, um rasch der Ukraine beizustehen, zumal sich der russische Angriffskrieg gegen Europa als Ganzes richte. Zum anderen werde Europa auf Dauer nur in Frieden und Freiheit überleben, wenn es sich als Bundesstaat mit einer gemeinschaftlichen Außen- und Verteidigungspolitik auf vertraglicher Grundlage konstituiere: „Die EU-Integration macht die kleinen Länder größer und die großen kleiner. Sie ist daher demokratischer und nachhaltiger, als wenn bloß die Großen etwas über die Köpfe der anderen hinweg vereinbaren und besonders kompetente Staaten wie etwa die Balten oder die Tschechen dabei übergehen.“
Der nordrhein-westfälische Europaminister Nathanael Liminski hob bei der Kundgebung im Aachener Krönungssaal hervor, daß die 1922 gegründete Paneuropa-Union angesichts zerstörerischer Ideen wie dem Nationalismus und den totalitären Ideologien immer ein „Korrektiv des Zeitgeistes“ gewesen sei. Antworten entstünden nicht erst in der Krise, „sie müssen vorbereitet, gedacht, gepflegt und bewahrt werden – genau das ist die historische und aktuelle Bedeutung der Paneuropa-Union.“ Coudenhove-Kalergi und sein Nachfolger Otto von Habsburg seien der Entwicklung immer voraus gewesen: „Coudenhove sprach von Vereinigten Staaten von Europa, als Europa noch Geographie war. Er wußte, daß es nicht durch Zwang, sondern durch gemeinsame Werte vereinigt werden und seine kulturelle Seele nur bewahren kann, wenn es sich zusammenschließt.“
Die Erste Vizepräsidentin des Europäischen Parlamentes, Sabine Verheyen MdEP, hieß die Paneuropäer in ihrer Heimatstadt Aachen, „einer Stadt, die europäischer nicht sein kann“, und „im Krönungssaal, der Europa atmet“, herzlich willkommen. Der Krieg in der Ukraine „hat uns alle zutiefst erschüttert, weil er zeigt, wie zerbrechlich der in den letzten Jahrzehnten für sicher gehaltene Friede in Wirklichkeit ist.“ Deshalb müsse jeder Einzelne „für Frieden und Freiheit arbeiten“.
Prof. Ihor Zhaloba, Präsident der sehr mitgliederstarken Paneuropa-Union Ukraine und Mitglied der ukrainischen Akademie der Wissenschaften, der fast drei Jahre lang freiwillig an der Front kämpfte, beschrieb in klaren Worten die existentielle Bedrohung, die für sein Land vom russischen Angriffskrieg ausgeht.
Der Präsident der Paneuropa-Union Spanien, Prof. Carlos Uriarte Sánchez, forderte von der EU ein zusammenhängendes geopolitisches Konzept.
Grußworte sprachen bei der von der Bundesvorsitzenden der Paneuropa-Jugend Deutschland, Isabella Schuster-Ritter, moderierten Hauptkundgebung im Rathaus die Aachener Bürgermeisterin Margarethe Schmeer und der Präsident der Paneuropa-Union Belgien, Patrice Vanderbeeken.
Bei einem Symposion im Aachener Krönungssaal präsentierte der Historiker Martin Posselt sein jetzt neu erschienenes wissenschaftliches Werk „Ein Parlament für Europa. Richard Coudenhove-Kalergi, Paneuropa und die westliche Demokratie 1922 – 1952“, dessen Titelbild die Verleihung des ersten Aachener Karlspreises an diesen Vater des demokratischen Europa zeigt. Schon in der Zwischenkriegszeit sei sein Name für die Westorientierung Deutschlands und für eine liberale Ordnung Europas gestanden.
Der ehemalige Oberbürgermeister von Aachen Jürgen Linden umriß in einem spannenden Impulsreferat die miteinander verknüpfte Wirkungsgeschichte der ersten Karlspreisträger – neben Coudenhove Alcide de Gasperi, Konrad Adenauer und erst 1958 Robert Schuman, da eine solche Ehrung zuvor in den Augen vieler Franzosen wegen der tiefen Wunden durch die beiden Weltkriege als noch zu früh erschienen wäre.
Dem schloß sich eine Podiumsdiskussion an, die der internationale Vizepräsident der Paneuropa-Union und Leiter des Paneuropa-Verlages Dirk Voß leitete.
Der internationale Ehrenpräsident der Paneuropa-Union, Alain Terrenoire aus Frankreich, beleuchtete das Lebenswerk Coudenhoves, mit dem er ebenso wie mit General de Gaulle noch persönlich zusammenarbeitete, im Licht der internationalen Politik und zog daraus Schlußfolgerungen für die aktuelle geopolitische Lage.
Prof. Wilfried Loth, einer der prominentesten Europa-Historiker im deutschsprachigen Raum, analysierte die verschiedenen Strömungen der europäischen Einigungsbemühungen, unter denen Coudenhove herausragte, aber auch Kontroversen auslöste.
Der Präsident der European Society Coudenhove-Kalergi in Wien, Prinz Nikolaus von und zu Liechtenstein, begeisterte das Publikum mit sehr persönlichen Schilderungen und Bewertungen des großen Europäers, der die Paneuropa-Union nicht nur ins Leben rief, sondern 50 Jahre lang an ihrer Spitze stand und als Privatmann für die europäische Einigung mehr Impulse setzte als viele Inhaber politischer Ämter.
Der englische Coudenhove-Biograph Martyn Bond stellte die sehr unterschiedlichen Europa-Pioniere biografisch nebeneinander und zeigte insbesondere die Unterschiede zwischen Coudenhove und Jean Monnet auf: Ersterer habe sich, wie die Paneuropa-Union insgesamt, auf die großen, langfristigen Linien konzentriert, während Monnet ein Mann der kleinen Schritte gewesen sei.
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